Täter vorgestellt: Rassistischer Angriff am Herrenberg 31. Juli / 1. August 2020

Am 1. August 2020 wurden drei junge Männer vor dem damaligen Neonazitreffpunkt des Neonaziverein „Neue Stärke“ angegriffen. Die drei Männer aus Guinea wurden aufgrund ihrer Hautfarbe rassistisch beleidigt und schließlich angegriffen. Im Anschluss der ersten Ermittlungen versuchten die mutmaßlichen Täter selbst als Opfer zu stilisieren und stellten eine Gegenanzeige. Aus Opfern machten sie Täter und die Behörden ermittelten nun auch gegen die Betroffenen, von denen einer zeitweise in Lebensgefahr schwebte. Bevor die Justiz wieder auf den Gedanken kommt die Tat zu entpolitisieren, möchten wir die Täter ein halbes Jahr nach der Tat einmal genauer vorstellen und zeigen, dass sie fest in der Neonaziszene verankert sind.

Der Angriff vom 1. August 2020

In der Nacht vom 31. Juli auf den 1. August 2020 waren die drei jungen Männer aus Guinea auf dem Heimweg. Dorthin passierten sie auf ihrem Weg das Neonazizentrum in der Stielerstraße 1 auf dem Erfurter Herrenberg. In dem ehemaligen Einkaufcenter hatten sich seit 2015 Neonazis eingemietet. Hier wurden Parteitage diverser Neonazigruppierungen abgehalten, es fanden Rechtsrockkonzerte sowie Kampfsporttraining der lokalen Neonaziszene statt. Vor dem Gebäude ereignete sich der Angriff auf die drei Männer, einhergehend mit rassistischen Beleidigungen. Einer der Angegriffenen erlitt schwere Verletzungen und schwebte zeitweise in Lebensgefahr. Die Polizei sprach von einem „fremdenfeindlichen Motiv“ und berichtete davon, dass Mitglieder_innen und Sympathisant_innen der Partei „Der Dritte Weg“ unter den Angreifern seien. Doch zu diesem Zeitpunkt hatte die Gruppe in der Stielerstraße 1 bereits mit der Partei gebrochen und agierte schon unter dem Label „Neue Stärke Erfurt“. Noch in der selben Nacht rückte die Polizei an und verhaftete zwölf Tatverdächtige, welche nach kurzer Zeit wieder entlassen wurden. Die Staatsanwaltschaft sah keinen Grund einen Haftbefehl zu beantragen. Eine Wiederholungsgefahr ließ sich für die Staatsanwaltschaft nicht ableiten. Dass die Täter aus ideologischen Beweggründen handelten und dies immer wieder tun, spielte für die Bewertung keine Rolle.

Die Tatverdächtigen: Neonazikader aus Erfurt

Zu den Hauptverdächtigen, welche im Anschluss kurzzeitig in Haft landeten, gehören folgende Personen: Enrico & Stefanie Biczysko, Wolodja Wanjukow, Philipp Volkennandt, Florian Reibe,  Franziska Barth, Justin Scholtz, Steve Giese, Ronny Wurmstich, Andreas Bach, Rafael Ramasanov und Alexander Susdalzew.

Enrico & Stefanie Biczysko

Enrico Biczysko ist wohl einer der umtriebigsten Neonazis in Erfurt. In der Vergangenheit agierte Biczysko sowohl als Teil der Hooligangruppierung „Kategorie Erfurt“ (KEF) später auch als Teil der „Hoonara Erfurt“ (Hooligans, Nazis und Rassisten). Seit mindestens 2006 widmete er sich verstärkt der organisierten Neonaziszene und trat für die NPD als Kandidat für den Stadtrat an. 2014 zog er in den Stadtrat von Erfurt ein, nahm jedoch sein Mandat sehr selten wahr. Es folgte schließlich der Bruch mit der Parteistruktur NPD und es folgte eine Karriere durch diverse Kameradschaften und neonazistischen Kleinstparteien, wie beispielsweise „Freie Kräfte Erfurt“, „Die Rechte“ oder „Der Dritte Weg“. Bei allen Organisationen führten Biczysko und Michel Fischers Unfähigkeit, gepaart mit autoritären Führungsansprüchen zum Bruch mit den jeweiligen Strukturen. Konstant blieb die Rolle in der Immobilie in der Stielerstraße 1 in Erfurt.

Dritter Weg Erfurt im Jahr 2018 – v.l.n.r. Martin Bergmann, Jörg Nimmrich, Björn Mey, Enrico Biczysko, Unbekannt, Michel Fischer, Wolodja Wanjukow (Bild: Dissens)

Stefanie Biczysko

Bereits in der Vergangenheit hatte sich Biczysko an Gewalttaten beteiligt, wie beispielsweise beim Angriff auf die Punxboottour 2008 an der Krämerbrücke, und organisierte in der bis zum Dezember 2020 bestehenden Immobilie in Erfurt-Süd das Kampfsporttraining mit.
Seit Juni 2014 ist Enrico Bicysko mit Stefanie Bicysko verheiratet. Während ihr Mann immer wieder in Erscheinung tritt, tritt Stefanie Biczysko kaum öffentlich auf.
Eine Übersicht aus 2013 über Biczysko’s Nazikarriere bis 2013 lieferte damals die Antifaschistische Koordination Erfurt: Enrico Biczysko – die Umtriebe eines rechten Hooligans.

 

 

Wolodja Wanjukow

Wanjukow befindet sich seit ca. vier Jahren im engen Umfeld zu Enrico Biczysko. Er ist dabei wesentlicher Bestandteil der Struktur um die Partei „Der Dritte Weg“ in Erfurt gewesen und kandidierte auch hier für den Stadtrat soie den Ortsteilrat Melchendorf. In der Partei leitete er die Gruppe „AG Körper & Geist“. Bei dieser beteiligten sich einige Kinder und Jugendliche, welche mit T-Shirts der Partei immer wieder auf offiziellen Sportveranstaltungen für Aufsehen sorgten. Wolodja Wanjukow trainierte die Gruppe und nahm beim Erwerb des Deutschen Sportabzeichens als Trainer für die Kinder und Jugendlichen teil.

Wanjukow als Vertreter für die „AG KörperGeist“ der Neonazipartei „Der Dritte Weg“ beim Erwerb des Sportabzeichens

Zur Begründung, warum man keine Haftbefehle gegen die Tatverdächtigen beantragt habe, hieß es im MDR in Bezug auf Sprecher der Staatsanwalt Hannes Grüneisen:

„Mehrere Beschuldigte seien zwar vorbestraft. Die Taten lägen aber sehr lange zurück, sodass eine Wiederholungsgefahr für Gewaltstraftaten nicht konstruiert werden konnte.“

Quelle: MDR vom 4. August 2020.

Dabei handelte es sich um eine offensichtliche Lüge. Mindestens gegen Wanjukow wird seit 2019 ein Ermittlungsverfahren geführt, was ihn als Tatverdächtigen einer Körperverletzung in einer Erfurter Straßenbahn sieht. Er soll dort einen Mann attackiert haben und ihn in Bezug auf einen Angriff auf das Neonazizentrum in der Vergangenheit bedroht haben. Generell stellt sich die Frage, inwiefern eine Wiederholungsgefahr bei Neonazis ausgeschlossen werden kann, die nicht nur offensichtlich Kampfsport trainieren, sondern immer wieder aus ideologischen Motiven gewalttätig werden.

Wanjukow (rechts) beim Show-Training für die ARD-Reportage in den Räumen der Stielerstraße 1.

 

Philipp Volkenanndt

Der ebenfalls beim „Dritten Weg“ und nun bei „Neue Stärke Erfurt“ aktive Philipp Volkenanndt war ebenfalls am Angriff in der Nacht auf den 1. August 2020 beteiligt. Er kandierte zur Kommunalwahl 2019 für die Neonazipartei „Der Dritte Weg“ und trat regelmäßig bei Auftritten der Partei in der Vergangenheit oder aktuell für den neuen Verein in Erscheinung. Für die Neonazipartei trat er 2019 als Stadtratskandidat an und wurde in einem Video der Partei als Zuständiger für die „Obejktordnung“ vorgestellt. Insbesondere bei den Inszenierungen als Kampfsportler versucht sich Volkenanndt. Volkenanndt war auch mindestens einmal in der Sicherheitsbranche tätig und arbeitete auf einem OpenAir in Erfurt für die Firma „Protev Secure“ als Security.

Im Partei-Video: Philipp Volkenanndt zuständig für Objektordnung bzw. Putzkraft im Neonazitreffpunkt in der Stielerstraße 1.

 

Florian Reibe

Florian Reibe gehört zum Nachwuchs der Neonazigruppierung auf dem Erfurter Herrenberg. Er erstatte die Gegenanzeige, welche die Täter-Opfer-Umkehr der Neonazis ins Rollen brachte. Reibe selbst ist bisher nicht offen politisch in Erscheinung getreten, was mutmaßen lässt, dass gerade er als „unbeschriebenes Blatt“ von der Neonazi-Gruppe vorgeschickt wurde, um die Gegenanzeige zu stellen. Immer wieder bekundet er seine Sympathien und Zugehörigkeiten zur Neonaziszene im Internet und ist regelmäßiger Besucher des Neonazizentrums in der Stielerstraße 1 gewesen.

Florian Reibe mit Merch von „Neue Stärke Erfurt“.

 

Franziska Barth

Sie gehört zum engeren Freundeskreis von Enrico und Stefanie Bicysko. Am 1. August 2020 wurde Franziska Barth ebenfalls als Tatverdächtige festgenommen. Sie gehörte zu den regelmäßigen Besuchern des ehemaligen Neonazizentrums in der Stielerstraße 1.

 

 

Justin Scholtz

Ist ebenfalls Teil der eher jüngeren Generation der Neonaziszene in Erfurt, aber schon seit einigen Jahren Besucher des Neonazizentrums in der Stielerstraße 1 in Erfurt. In der Vergangenheit wurde Justin Scholtz außerdem in Eisenach gesichtet.

 

 

Justin Scholtz (1.v.l.), Daniel Pabst (1.v.r.), Björn Mey (2.v.r.) und Wanjukow (3.v.r.) in der Stielerstraße 1.

 

 

 

Steve Giese

Wie viele andere Neonazis in Erfurt bewegt sich der aus Bad Langensalza stammende Steve Giese seit einiger Zeit im Umfeld der Fanszene von Rot-Weiß Erfurt. Laut seinem Facebookprofil gehört er zu der Fangruppe „Inferno Red White Warriors“. Sein Tattoo am Hals, bestehend aus RWE- und Hooliganlogo, untermalt seine Fanzugehörigkeit abermals. Im Mai 2019 trat er erstmals mit Bezug zum „Dritten Weg“ auf einem seiner Facebookprofile auf. In mehreren Posts bekennt er sich zu der Neonazi-Kleinstpartei, welche er mit dem Verteilen von Flyern auf dem Herrenberg unterstützte. Des Weiteren trainierte Giese in den Räumlichkeiten der Stielerstraße 1 Kampfsport.

 

Steve Giese mit Merch der Neonaziparte „Der Dritte Weg“.

 

Steve Giese „Hooligan“ Tattoo.

 

Steve Giese beim Flyer verteilen für den „Dritten Weg“ 2019.

 

Ronny Wurmstich

Er gehört zum engeren Kreis von „Neue Stärke Erfurt“. Am 1. August 2020 wurde Ronny Wurmstich ebenfalls als Tatverdächtige festgenommen. Er gehörte zu den regelmäßigen Besuchern des ehemaligen Neonazizentrums in der Stielerstraße 1.

Ronny Wurmstich (links) mit dem Sänger „Schröder“ der Deutschrockband „Berserker“ aus Berlin.

 

Andreas Bach

Unter dem Spitznamen „Andy“ ist Andreas Bach in der Stielerstraße 1 bekannt gewesen und gehörte zu den regelmäßigen Besuchern des Neonazizentrums und bewegte. Er pflegt gute Kontakte zu den Erfurter Neonazis um Philippe Amor, Ronny Damerow, Julian Franz, Sören Erik Hildesheim und Kevin Jacobi um das „Kollektiv56“, wie ein Bild der Gruppe aus 2017 beweist.

 

Gruppenbild aus dem Februar 2017 v.l.n.r.: Unbekannt, Silvio Peters (geb. Röppenack), Phillipe Amor (stehend), Kevin Jacobi (unten), Ronny Damerow (stehend), Julian Franz (unten), Sören Erik Hildesheim (stehend), Andreas Bach. (Bild: K56 aufdecken!)

Zu den weiteren Tatbeteiligten gehörten Rafael Ramasanov sowie Alexander Susdalzew.

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