Der Fall Martin Schieck und die Lügen der AfD: Normannia-Burschenschafter und EinProzent-Aktivist als Mitarbeiter der Thüringer AfD

Der Fall Martin Schieck und die Lügen der AfD: Normannia-Burschenschafter und EinProzent-Aktivist als Mitarbeiter der Thüringer AfD

TEXT: Rechercheportal Jena/SHK
DATUM: 12.07.2020

Am 2. Mai veröffentlichte der MDR eine Recherche zu Martin Schieck, der für die Thüringer AfD-Landtagsfraktion arbeitet. Dem Bericht zufolge hat Schieck eine Neonazi- „Vergangenheit“, vor allem durch seine Kontakte zum Blood & Honour-Musiker Tobias Winter, alias Bienenmann. In einem Dementi der AfD dazu heißt es, die Vorwürfe beruhten alleine auf Mutmaßungen und „Kontaktschuld-Konstruktionen“, Schieck sei kein Mitglied irgendeiner rechtsextremistischen Organisation und sei erst „wenige Wochen“ bei der Fraktion beschäftigt. Neue Recherchen zeigen: Die AfD lügt in allen Punkten. Schieck arbeitet seit mindestens Oktober 2019 als Fotograf und Filmer für Landtagsfraktion. Die nötige Erfahrung bringt er aus der Arbeit für die rechtsextreme Plattform “EinProzent” mit. Und er ist Mitglied der neonazistischen „Burschenschaft Normannia zu Jena“, die personell und ideologisch eng mit dem „Thüringer Heimatschutz“, der NPD und Jenaer NSU-Helfern verbunden ist.

Eine Recherche in Episoden des extrem rechten Aktivisten Martin Schieck zurück bis 2014.

2. Mai 2020 Erfurter Landtag

Es ist ein routinierter Vorgang, als Torben Braga am 2. Mai 2020 eine Presseerklärung zum MDR-Bericht über den Neonazi-Hintergrund des AfD-Mitarbeiters Martin Schieck verfasst: Er dementiert die Verbindungen, lügt bei den Zeitangaben und macht Gegenvorwürfe an die Presse. „Seit Jahren keine Kontakte“ und „Kontaktschuld-Konstrukte“, so der Grundtenor. Martin Schieck überprüft derweil seine Instagram-Bilder aus der jüngeren Vergangenheit. Darunter ist auch ein Bild, das er auf einer Lesung der „Burschenschaft Normannia“ aufgenommen hat. Die Normannia wird vom Verfassungsschutz aufgrund ihrer Nähe zum früheren NSU-Umfeld und Überschneidungen zur NPD offiziell beobachtet. Das wäre problematisch für die Öffentlichkeitsstrategie der AfD. Noch im Sommer 2019 war Schieck mit seinen Normannia-Kameraden zur Wartburg gewandert. Schieck löscht das Bild der Lesung. Danach betrachtet auch der rechtsradikale Burschenschafter Torben Braga das Presse-Problem für erledigt und beide setzen sich wieder an die Arbeit für die Höcke-AfD.

Dementi der AfD zu den Recherchen des MDR am 02.05.2020.

12. Oktober 2019 Erfurter Anger

An einem sonnigen Herbsttag hält die AfD in der Hochphase des Landtagswahlkampfes eine Kundgebung ab. Neben dem Erfurter Angerbrunnen hat sie eine Bühne, Absperrgitter und Biertischgarnituren aufgebaut. „Wende 2.0“ ist das pompöse Motto des AfD-Wahlkampfes. Es prangt auf allen leuchtend blauen Tischdecken und Sonnenschirmen. Während Björn Höcke spricht, sitzt ein junger Mann in weiß-rot kariertem Hemd und akkurater Frisur in der ersten Reihe und blickt konzentriert in den Bildschirm einer digitalisierten Spiegelreflex-Kamera auf einem Stativ: Martin Schieck filmt den Auftritt des AfD-Spitzenkandidaten. Wenn Torben Braga am 2. Mai 2020 von „wenigen Wochen“ spricht, reicht diese Wenigkeit also bis mindestens ein halbes Jahr zurück. Schieck ist zu dem Zeitpunkt seit knapp zwei Monaten Auszubildender zum E-Commerce-Kaufmann bei der Erfurter Firma Weinrich. Seine Tätigkeit für die AfD ist für ihn nicht nur eine Aufstockung des Azubi-Gehalts, sondern auch eine Professionalisierung seines rechten Filmaktivismus.

Martin Schieck am 12.10.2019 beim Filmen der AfD-Wahlkampfkundgebung in Erfurt. (Foto: Lionel C Bendtner)

20. Juli 2019 Berlin

Zu einem Interview mit der rechten Rockgruppe „Die Wutbürger“ reist Simon Kaupert von Halle nach Berlin. Kaupert kommt ursprünglich aus Jena und war nach dem dortigen Abitur zunächst in der Naziszene aktiv, wo er als Teilnehmer eines politischen Camps der NPD-Jugendorganisation JN auffiel. Seit mehreren Jahren macht er unter dem Label „Dokus von rechts“ Youtube-Videos für die rechte Plattform „EinProzent“. In der Regel agitieren Beiträge von „EinProzent“ gegen nicht-rechte Bildungsarbeit, die Förderung nicht-rechter Kulturprojekte oder denunzieren Journalist*innen, die über die Naziszene schreiben. Es werden aber auch rechte Vorträge mitgeschnitten, rassistische Kampagnen gegen Geflüchtete vorgestellt oder Spendengelder für die „Identitäre Bewegung“ gesammelt. Während Kaupert „Die Wutbürger“ im Juli 2019 auf einer Couch in einer Frontalaufnahme interviewt, steht links von ihm Martin Schieck. Er nimmt die in der Endfassung verwendeten Einstellungen von links auf. Am zweiten Drehort, einer verlassenen Straße, macht Schieck die Nahaufnahmen, während Kaupert aus der Vogelperspektive mit einer Drohne filmt.

Martin Schieck beim Dreh des “EinProzent”-Films “Wutbürger” mit Simon Kaupert in Berlin. (Bild: Instagram)

19. Januar 2019 Neonazi-Hausprojekt Burg 19 in Kahla

Auf Einladung der „Burschenschaft Normannia zu Jena“ hält Josef Kneifel eine Lesung in der Burg 19 in Kahla ab. Das Haus ist offizieller Sitz der Burschenschaft und gleichzeitig Wohnsitz mehrerer Neonazis, darunter der frühere Kreistagsabgeordnete im Saale-Holzland-Kreis für die NPD, Hendrik Radtke. Einer der zwei Käufer des Hauses war das Normannia-Mitglied Rick Wedow aus Jena, ebenfalls früherer NPD-Funktionär. Josef Kneifel berichtet an jenem Abend von seinem Bombenanschlag auf ein Denkmal zu 1980 in der DDR und die darauf folgende Haftzeit, die ihn zur Ikone rechter Antikommunist*innen werden ließ. Kneifel ist ein gefragter Referent in Neonazi-Kreisen und war auch zuvor schon Gast bei der NPD und anderen Rechtsextremen. An diesem Januarabend in Kahla wird er von einem noch blutverschmierten Normannia-Burschen um ein Autogramm gebeten: Christian Heilmann, die Schnittwunden am Kopf kreuz und quer verbunden, hatte am Nachmittag eine Mensur gefochten. Anlässlich dessen bittet er Kneifel um eine Widmung. Die Lesung an jenem Abend in Kahla wird vom selben Kameramann gefilmt, der auch Björn Höcke im Oktober 2019 filmte: Martin Schieck. Schieck kommentierte den Abend mit dem gealterten Rechtsterroristen mit „selten einen so interessanten Charakter kennenlernen dürfen“. Diesen Post löschte er infolge des MDR-Berichts vom 02.05.2020 vorsorglich.

Martin Schiecks später gelöschter Instagram-Post von der Lesung mit dem früheren Rechtsterroristen Josef Kneifel in der Burg 19 in Kahla. (Bild: Instagram)

1. September 2018 Chemnitz

Nach dem Tod von Daniel H. in Chemnitz läuft das gesamte rechte Spektrum Sturm. Nach mehreren Demos und Ausschreitungen durch Neonazis haben für den 01.09.2018 „Pegida“, die AfD und das örtliche Neonazi-Wahlbündnis „Pro Chemnitz“ zu einem Großaufmarsch mobilisiert. Bereits am Vorabend reist Martin Schieck an. Seine Mitfahrer: Simon Kaupert, führender Filmer und Produzent der EinProzent-Videos auf Youtube, und Oliver Hilburger von der rechten Betriebsratsliste „Zentrum Automobil“ bei Daimler in Stuttgart. Hilburger war lange Zeit Bassist und Gitarrist in der Neonaziband „Noie Werte“, deren Songs u.a. für ein NSU-Bekennervideo verwendet wurden. Der Frontmann der Band, Steffen Hammer, stand zudem Anfang der 2000er im Kontakt mit dem NSU-Helfer Jan Werner. Der Instagram-Post von der Hinfahrt ist mit der Kampfansage Alexander Gaulands (AfD) überschrieben: „Wir werden sie jagen!“ Am 01.09.2018 filmen Kaupert und Schieck als eingeübtes Team ihre Sequenzen für das Kurzvideo „Schweigemarsch in Chemnitz“, das auf dem Youtube-Kanal von „EinProzent“ erscheint. Ihr Film fokussiert sich auf die angereiste AfD-Prominenz und ruhig marschierende Menschenmengen. Kaupert fährt dabei zeitweise auf dem AfD-Lautsprecherwagen mit. Schieck selber ist ebenso in dem Video zu sehen (Minute 1:33) wie sein Normannia-Kamerad Christian Heilmann (Minute 0:10), der in den späten 2000ern im privaten Kontakt mit dem NSU-Helfer Ralf Wohlleben stand. Auch Schiecks früherer Kamerad von den Erfurter „Autonomen Nationalisten“, Julian Franz (Minute 1:35), ist unter den Teilnehmer*innen im Video.

Simon Kaupert (l.), Martin Schieck und Oliver Hilburger (r.) auf dem Weg zum rechten Großaufmarsch nach Chemnitz. (Bild: Instagram)

rechts im Bild: Martin Schieck beim Filmen des rechten Großaufmarsches in Chemnitz am 01.09.2018. (Screenshot EinProzent-Video „Schweigemarsch in Chemnitz“)

Januar 2018 Vaux-sur-Somme, Nordfrankreich

An einem kalten und regnerischen Wintertag spaziert ein knappes Dutzend Normannia-Burschen und Freunde durch die ostfranzösische Einöde bei Vaux-sur-Somme. Ihr Ziel: Der durch eine Gedenktafel markierte Absturzort des „Roten Baron“ Manfred von Richthofen, der für die deutsche Luftwaffe im ersten Weltkrieg etliche Angriffe auf Frankreich geflogen hatte. Anlässlich des 2018 anstehenden 100. Todestages v. Richthofens hat Martin Schieck einen Kurzvortrag vorbereitet. Schieck referiert aus dem Leben des Piloten, dessen Heldenstatus unter Rechten sich vor allem aus der hohen Zahl an Opfern seiner Luftschläge speist. Gleich neben Schieck steht mit dem Jenaer Ralph Oertel einer der Normannia-Hauptorganisatoren und Mitglied aus der Gründungszeit der Burschenschaft. Oertel ist bis heute in bestem Kontakt mit dem NSU-Helfer André Kapke. Da Schieck, Oertel und die anderen Normannia-Neonazis mit Kapke die Verehrung nationalsozialistischer Kriegsverbrecher teilen, ist auch Kapke ein regelmäßiger Gast bei den „Zeitzeugenberichten“, die die „Normannia“ in Kahla seit Jahren organisiert. Und so ist er keinesfalls zufällig der einzige Kommentator von Schiecks Foto beim Vortrag in Nordfrankreich.

Martin Schieck (2.v.l.) beim Vortrag über den Kampfpiloten Manfred von Richthofen an dessen Absturzort von 1918 im nordfranzösischen Vaux-sur-Somme; links davor steht Ralph Oertel. (Bild: Facebook)

Da die Normannia das Bild notdürftig verpixelte, sei hier ein Vergleichsfoto zur Erkennung Schiecks beigefügt:

links: Martin Schieck mit der Normannia in Frankreich 2018; rechts: Schieck auf der Identitären-Demo in Berlin 2017. (Foto Igor Netz)

17. Juni 2017 Berlin-Wedding

Die „Identitäre Bewegung“ (IB) hat zu einer Demo nach Berlin mobilisiert. Dem Aufruf folgen Hunderte Rechte aus Deutschland und Österreich. Ihr Ziel: Eine feindselige Machtdemonstration gegen die Bevölkerung des multikulturell geprägten Viertels Wedding. Von der „Burschenschaft Normannia“ laufen vier Mitglieder in der Demo mit: Ralph Oertel und Hendrik Radtke sind aus Jena und Kahla angereist, Christian Heilmann aus Dresden und Martin Schieck aus Erfurt. Oertel und Radtke laufen gemeinsam, während Heilmann zeitweise mit Schieck und zeitweise mit Dresdner Identitären-AktivistInnen um Freya Honold läuft. Martin Schieck schießt währenddessen Fotos der Demo. Neben den bekannten IB-Ortsgruppen und ihren omnipräsenten Kadern, von denen ein guter Teil frühere NPD-Jugendpolitiker sind, reihen sich auch altbekannte Neonazis in die Demo ein. Darunter sind Mitglieder der „Freien Kräfte Neuruppin“, aktive NPD-Kommunalpolitiker und Rechtsrock-Veranstalter aus Brandenburg, Mitglieder der Blood & Honour-nahen „Bruderschaft Barnimer Freundschaft 25“ oder Anhänger von „Der III. Weg“. Nachdem die Demo aufgrund von Blockaden für mehrere Stunden zum Stehen kommt und Ausbruchsversuche scheitern, fahren die Rechten vom S-Bahnhof Gesundbrunnen gesammelt davon. Noch auf dem Gleis nutzt Martin Schieck die Gelegenheit, um ein Gespräch mit dem Leipziger IB-Kader und Youtuber „Malenki“, Alexander Kleine, zu führen. Man kennt sich bereits von früheren Veranstaltungen der neuen Rechtsaußen-Organisationen.

Christian Heilmann (links) und Martin Schieck auf der Identitären-Demo am 17.06.2017 in Berlin.(Foto: Presseservice Rathenow)

links: Alexander Kleine (Malenki) bei einer Rede auf der Identitären-Demo in Berlin 17.06.2017, rechts Kleine im Gespräch mit Martin Schieck vor der Abreise. (Foto: Paul Hanewacker)

4. März 2017 Erfurt-Marbach

Ein knappes Dutzend junger Männer in gelben Warnwesten stellen an diesem Samstagmorgen ein riesiges Holzkreuz auf einer Wiese in Erfurt-Marbach auf. Mithilfe von Seilen errichten und fixieren sie es in der Wiese. Das Kreuz soll ein Symbol des Protests gegen den dort geplanten Neubau einer Moschee sein. Neben einigen Mitgliedern der Hallenser IB-Gruppe „Kontrakultur Halle“ ist auch Martin Schieck in gelber Weste mit dabei. Simon Kaupert, ebenso von auswärts angereist, trägt als einziger eine orangene Warnweste. Kauperts Plattform „EinProzent“ betiltelt nachher einen Kurzfilm über die Aktion mit „Anwohner errichten Holzkreuz“. Das Kreuz wird in derselben Nacht noch umgeworfen. Vorausgegangen war der Aktion eine Kampagne der AfD, örtlicher Neonazis und rechter Bürger*innen. Simon Kaupert war bereits Mitte Juni 2016 in den Fraktionsräumen der Thüringer AfD-Landtagsfraktion gewesen, um an Planungen für Aktionen gegen die muslimische Gemeinde teilzunehmen (Artikel).

links: Martin Schieck beim Aufstellen des Holzkreuzes gegen den Moschee-Neubau in Erfurt-Marbach am 04.03.2017. (Bild: Screenshot)

4. Juni 2016

Bei einem Wochenendseminar mit Burschenschaftern aus verschiedenen Städten werden klassische Themen der politischen Philosophie diskutiert. Die Normannia lauscht Vorträgen zu den Begriffen der Moderne und Postmoderne. Christian Heilmann, Doppelmitglied der „Burschenschaft Arminia zu Leipzig“ in Dresden und der „Normannia zu Jena“, ist aus Dresden angereist. auch Martin Schieck nimmt teil. Zu diesem Anlass hat er erneut seine rot-schwarze Krawatte angelegt, die er schon auf dem teilweise anonymisierten Foto von 2015 trägt, das seine Initiation als Mitglied der Normannia symbolisierte. Auf einem Gruppenfoto steht der „Fux“ Schieck neben Heilmann im Vordergrund.

Gruppenfoto der Normannia nach einem Wochenendseminar am 04.06.2016; mittig Martin Schieck, links davon Christian Heilmann. (Foto: Facebook)

1. Mai 2015 Saalfeld

Die militante Splitterpartei „Der III. Weg“ mobilisiert bundesweit für einen Aufmarsch in Saalfeld. Noch bevor sich die später bis zu 700 Neonazis an der westlich verlaufenden Bundesstraße 281 versammeln, gibt es bereits erste Schwerverletzte: Eine Gruppe Punks wird nahe des Haskala von anreisenden Neonazis aus Sachsen brutal zusammengeschlagen. Die Betroffenen erleiden Gehirnerschütterungen, verlieren Zähne und müssen mit inneren Blutungen im Krankenhaus behandelt werden. Martin Schieck ist mit seinen Erfurter Freunden derweil am Startpunkt der Demo angelangt, wo die antisemitische „Europäische Aktion“ um Axel Schlimper den Lautsprecherwagen vorbereitet. Sein Erfurter Kamerad hat sich bereits von den Organisatoren mit einem Ausweis „PRESSE III.Weg“ austatten lassen und beide werden die Demo fotografisch begleiten. Während ihre Bezugsgruppe um die Erfurter „Autonomen Nationalisten“ zusammen mit Saalfelder und Eisenacher AktivistInnen mit ihren Bannern den schwarzen Block der Demo aufstellen, läuft Schieck in Begleitung eines Parteiaktivisten von „Der III. Weg“ seitlich mit und liefert szenische Bilder des martialischen Aufmarschs, der später in Ausschreitungen mündet.

Martin Schieck (linkes Bild: mittig links) als embedded journalist im Aufmarsch von „Der III. Weg“ am 01.05.2015 in Saalfeld. (Fotos: Sören Kohlhuber)

18. April 2015 Gotha

Am Coburger Platz in Gotha versammeln sich ab 14 Uhr Hunderte Neonazis. Der örtliche Neonazi-Kader Marco Zint hat eine Demonstration gegen die Aufnahme von Geflüchteten angemeldet. An Balkonen um den Platz herum hängen vereinzelt Transparente gegen Nazis. Martin Schieck ist zusammen mit Kameraden aus den Strukturen der Erfurter „Autonomen Nationalisten“ um Sascha Wühr, Patrick Schrimpf und Julian Franz angereist. Schieck läuft mit verspiegelter Sonnenbrille hinter ihrem Banner mit der Aufschrift: „Raus aus EU, NATO und UNO! Nationaler Sozialismus statt EU-Diktatur!“. Neben ihm läuft sein langjähriger Freund und Aktivist von „EinProzent“, der sich in den sozialen Netzwerken nach einem SA-Mann „Walter Gornatowski” nennt. Zwei Monate zuvor hatten die beiden gemeinsam am neonazistischen „Trauermarsch“ anlässlisch des Jahrestags der Bombardierung Dresdens teilgenommen. Aus Ostthüringen sind AnhängerInnen von „Der III. Weg“ und von „Thügida“ nach Gotha angereist, aus Leipzig eine Gruppe von „Die Rechte“ und aus Halle die Neonazi-Hooligans von „Brigade Halle“. Nachdem der Aufmarsch sich in Bewegung setzt, kommt er wegen Sitzblockaden an der Gartenstraße vorübergehend zum Stehen. Nachdem diese durch die Polizei geräumt werden, kommt der Zug nicht viel später in der Lutherstraße endgültig zum Stehen und muss vom Anmelder Zint aufgelöst zu werden. Der anvisierte Neumarkt ist von zu vielen Gegendemonstrierenden blockiert.

Martin Schieck (1.v.r.) und „Walter Gornatowski“ (3.v.r., Pseudonym) beim Naziaufmarsch in Gotha mit Mitgliedern der Erfurter „Autonomen Nationalisten“. (Foto: Recherche Nord)

22. März 2014 Kirchheim

Der NPD-Jugendverband JN hat zum „Europakongress“ in die Erlebnisscheune ins mittelthüringische Kirchheim geladen. In einem weißen Kleinwagen reisen zunächst der Blood & Honour-Musiker Tobias Winter aus Kahla und Christian Heilmann aus Jena an. Winter war als musikalische Untermalung für die Veranstaltung angefragt worden. Sowohl Winter als auch Heilmann tragen Mützen der Burschenschaft Normannia, Heilmann zudem deren Schärpe. Wenig später kommt auch Martin Schieck angereist. Er trägt noch keine Couleur, sondern einen blauen Wollpulli, dessen Kragen er sich hoch um den Hals zieht.

Martin Schieck (1.v.r.) beim JN-Europakongress in Kirchheim. (Foto: Pixelarchiv)