Pack schlägt sich, Pack verträgt sich: NPD und „Pro Erfurt“ wieder vereint

Pack schlägt sich, Pack verträgt sich: NPD und „Pro Erfurt“ wieder vereint
Text: Antifaschistische Koordination Erfurt
Datum: 18.09.2013

Frank Schwerdt, Patrick Wieschke und Kai-Uwe Trinkaus waren 2007 gemeinsam in der Thüringer NPD aktiv. Mit Blick auf die Kommunal-, Europa- und Landtagswahlen im Jahr 2009 schlugen sie ab 2007 fast wöchentlich mit Infoständen und Kundgebungen in den Zentren von Thüringer Städten auf. In Erfurt sorgte vor allem

Trinkaus – und mit ihm unter anderem Dominik Weinlich, Patrick Paul, Andy Freitag, Patrick Panser, Philipp Rethberg und Konrad Förster – für eine steigende Zahl von Kundgebungen, Info-Tischen, Materialverteilungen und Aktionen gegen politische Gegner_innen. Auch die Mitgliederzahlen der Neonazi-Partei stieg in dieser Zeit an. Doch schon bald wurde die Offensive der NPD durch Streitigkeiten in der Partei abgelöst. So versuchten die Neonazi-Kader Torsten Heise (Eichsfeld) und Trinkaus (Erfurt) den Landesvorstand im Handstreich zu übernehmen. Doch der Putsch scheiterte, Trinkaus und sein politischer Ziehsohn Förster wurden wegen „parteifeindlichem Verhalten“ aus der NPD ausgeschlossen. Trinkaus und Heise hatten für ein enges Bündnis mit den militanten Neonazis der „Freien Kameradschaften“ plädiert, Schwerdt und Wieschke wollte der Partei dagegen ein vermeintlich bürgernahes Image verschaffen – aus rein taktischen Gründen hielten die beiden Verurteilten Aktivisten Distanz zu militanten Nazis. Nach dem Streit wurde es in Erfurt ruhig um die Partei. Schwerdt übernahm von Trinkaus den Vorsitz in der Landeshauptstadt. Bis heute sitzt der langjährige Landesvorsitzende der NPD für die Partei als fraktionsloser Abgeordneter im Erfurter Stadtrat. Doch er erscheint dort nicht zu allen Sitzungen. Auch öffentliche Aktionen der NPD fanden seit dem Rauswurf von Trinkaus in Erfurt nur noch selten statt. Bis heute schafft es die NPD hier nicht, in Erfurt eine relevante Zahl an Mitgliedern und Sympathisant_innen für Infostände und Aktionen in die Stadt zu mobilisieren.

Nach seinem Rauswurf aus der NPD baute Trinkaus ab Sommer 2008 die Vereine „Pro Erfurt e.V.“ und „Pro Thüringen e.V.“ in Konkurrenz zur NPD auf. Mit den unverfänglicheren Namen wollte Trinkaus zu den anstehenden Kommunal- und Landtagswahlen 2009 kandidieren. Doch außer einigen Flugblättern und wenigen Infotischen entfaltete der Verein kaum Aktivitäten. Lediglich im Internet setzten Trinkaus und Co. ihre Arbeit fort: Sie versuchten, mit kommunalpolitischen Themen zu punkten und diffamierten politische Gegner_innen. Zu Wahlen traten die Neonazis nicht an.

Während der NPD im Juni 2009 der Einzug in eine Reihe von Stadträten und Kreistagen gelang und sie in einigen Regionen Thüringens erschreckende Wahlerfolge erzielten (z.B. in Urnshausen/Wartburgkreis: 19.1%), scheiterte sie mit 4,3 % der Zweitstimmen im August 2009 nur knapp am Einzug in den Thüringer Landtag – Gründe dafür waren unter anderem das Zerwürfnis ab Sommer 2008 zwischen Heise/Trinkaus und der NPD sowie den konkurrierenden NPD-Abspaltungen „Pro Erfurt“ und „Bündnis Zukunft Hildburghausen“.

Erst Ende 2011 kam es nach einer längeren Ruhepause – auch mit Blick auf die Oberbürgermeisterwahlen im Frühjahr 2012 – zu einer Reaktivierung des Vereins „Pro Erfurt“. Mit ihrem Kandidaten Christoph Pilch wollte der kommunale Wahlverein antreten, doch er scheiterte an der Sammlung der Unterstützungsunterschriften. Im achtköpfigen Vorstand des Vereins saßen nun auch Neonazis aus dem Spektrum der „Autonomen Nationalisten“, unter anderem der bekannte Erfurter Neonazi-Hooligan und Gewalttäter Enrico Biczysko. Er hatte sich schon früher für die NPD engagiert und war durch Gewalttaten aufgefallen. Doch zur NPD hielt „Pro Erfurt“ nun augenfällige Distanz, sichtlich bemüht aber völlig erfolglos versuchte der Verein anfangs, seriös und nicht-neonazistisch zu erscheinen. Doch schon bald nahm man den Verein nur noch durch seine Unterstützung von Nazi-Aufmärschen in Erfurt und dem Weimarer Landes wahr. Treu standen die Erfurter_innen an der Seite Michel Fischers.

Als sich Kai-Uwe Trinkaus dann im Dezember 2012 – offenbar aus Angst vor Enttarnung durch den NSU-Untersuchungsausschusses – selbst gegenüber dem MDR als Spitzel („V-Mann“) in den Jahren 2006 – 2007 des „Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz“ enttarnte, verschwand sein Name schnell von der Internetseite von „Pro Erfurt“. Angeblich sei er umgehend aus dem Vorstand und dem Verein ausgeschlossen worden, hieß es in einer Erklärung, die nur kurz auf der Website stand. Ob er wirklich offiziell aus dem Verein ausgeschlossen und im Vereinsregister aus dem Vorstand gestrichen wurde, ist unklar. Klar ist hingegen, dass bis heute die Domain von „Pro Erfurt“ ebenso wie die Seiten des „Bündnis Zukunft Hildburghausen“, „Pro Thüringen“ und „Speicher18“ auf den Namen von Trinkaus und seine Adresse in Friedersdorf (Ilmkreis) angemeldet sind. Seit wenigen Tagen (Stand: 17.09.2013) sind die Websites völlig abgeschaltet, die Domains aber weiter auf den früheren Nazi im Sold des Freistaates Thüringen registriert.

Im Januar 2013 wurde bekannt, dass Aktivisten von „Pro Erfurt“ den Kampfsportverein „GSV – Mach dich fit e.V.“ gegründet hatten und u.a. Kickboxen trainierten. Und mit der „Kammwegklause“ auf dem Erfurter Herrenberg, die von „Pro Erfurt“-Sympathisant_innen betrieben wird, verfügte die Szene nun auch seit Monaten nahezu ungestört über einen eigenen Ort für Vorstandstreffen, Veranstaltungen und Auftritte von RechtsRock-Bands und neonazistischen „Liedermachern“. Unter der Adresse des Lokals betreibt Biczysko seit kurzem auch seinen Versand „Pat-Riot“. Für den 1. Mai 2013 rief „Pro Erfurt“ zusammen mit Fischer aus Tannenroda (Weimarer Land) zum Aufmarsch in Erfurt auf – und scheiterte nach wenigen hundert Metern am antifaschistischen Protest.

Im August 2013 verkündete der Neonazi-Verein nun, er stelle „seine Arbeit ein“. Der Verein habe sich aber nicht wegen Streitigkeiten getrennt oder sei den „Zerschlagungsversuchen“ von antifaschistischen Gruppen erlegen, hieß es. Schon bei der antimuslimischen Hetzveranstaltung der NPD am 17. August 2013 in der Erfurter Trommsdorffstraße deutete sich eine Verschiebung der Strukturen an. Denn dort erschienen erstmals die ehemaligen „Pro Erfurt“-Vorstandsmitglieder Biczysko und Dirk Bachmann bei einer Kundgebung der bis dato verfeindeten Partei. Und auch am NPD-Infostand in Sömmerda verteilte der NPD-Neuaktivist Biczysko wenig später am 24. August gemeinsam mit Schwerdt fleißig NPD-Werbematerial. Noch im April 2013 hatte ein „Zusammenschluss nationaler Gruppen“ im Vorfeld des Neonazi-Aufmarschs am 1. Mai in Erfurt eine kritische Erklärung zum Organisator Michael Fischer veröffentlicht und rief zur Nichtteilnahme an dessen Veranstaltungen auf. Auch „Pro Erfurt“ wurde damals wegen der Unterstützung Fischers und der fehlenden Distanzierung zum früheren NPD-Funktionär und Geheimdienst-Spitzel Trinkaus abgewatscht. Doch auch Fischer sucht derzeit wieder die Nähe zur NPD. So stand er am 07. September 2013 in Weimar mit den NPD-Kadern Patrick Wieschke und Tobias Kammler hinter einem Transparent der Partei auf einer Veranstaltung zur Bundestagswahl. Dagegen erschien dann wenig später die andere Fraktion der Ehemaligen vom Vorstand von „Pro Erfurt“, Patrick Panser und Konrad Förster, bei einer Kundgebung der rechtspopulistischen Partei „Alternative für Deutschland“ auf dem Erfurter Bahnhofsvorplatz.

Getreu dem Motto „Pack schlägt sich, Pack verträgt sich“ haben nun die militanten Neonazis von „Pro Erfurt“ mit den militanten Neonazis der NPD wieder zusammengefunden. Die Aussicht auf Mandate bei der Kommunalwahl im Frühsommer 2014 und einen möglichen Einzug der NPD in den Landtag im Herbst kommenden Jahres und die daraus resultierenden finanziellen Möglichkeiten und Jobs überbrückten schon in der Vergangenheit immer wieder Konflikte in der Nazi-Szene – ähnliche Entwicklungen waren wiederholt vor Wahlen zu beobachten. Die Strategie der NPD, die gesamte Nazi-Szene zu vereinnahmen („Kampf um den organisierten Willen“), scheint in Thüringen derzeit aufzugehen – doch es ist nur eine Frage der Zeit, bis alte Streitigkeiten und Konkurrenz wieder ausbrechen werden. Bei der Betrachtung des Wechselspiels von Funktionären und Sympathisant_innen von „Pro Erfurt“, NPD und der Szene aus Hooligans und „Freien Kräften“ darf ihre menschenverachtende Ideologie und ihre Gewaltbereitschaft gegenüber Andersdenkenden nicht aus dem Blick geraten. Denn Pack bleibt Pack.