Verhandlungsbeginn gegen Neonazis wegen Überfall auf „Kunsthaus“-Besucher

Verhandlungsbeginn gegen Neonazis wegen Überfall auf „Kunsthaus“-Besucher

TEXT: Thüringenrechtsaussen
DATUM: 21.08.2014

Am 13. Juli 2012 überfielen acht Personen mit Naziparolen und „Sieg Heil“-Rufen die Besucher einer Ausstellung im Kunsthaus Erfurt und verletzten einige von ihnen teils schwer. Der Kurator der Ausstellung wurde zusammen geschlagen, ihm wurde das Nasenbein gebrochen. Der Leiterin des Kunsthauses wurde eine volle Bierflasche auf dem Kopf zerschlagen, einer Besucherin wurde im Beisein ihres Kindes der Kopf auf den Autokühler geschlagen, andere Besucher wurden durch Flaschenwürfe attackiert. Die Landespolizeiinspektion Erfurt sah drei Tage lang keinen Hinweis auf einen extrem rechten Hintergrund und erklärte anfangs, es sei „aus bisher nicht bekannten Gründen“ zu den Übergriffen gekommen“.

Nach dem Überfall ermittelte die Staatsanwaltschaft gegen zwei Frauen und sechs Männer, ein Verfahren wurde später „mangels konkreter Verdachtsmomente“ eingestellt. Es folgte die Klage gegen sechs Männer und eine Frau u.a. wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung, Volksverhetzung, Widerstand und Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Insgesamt waren drei Viertel der Beteiligten zum Tatzeitpunkt teils einschlägig vorbestraft und bereits verurteilt, selbst das Innenministerium rechnete zwei der Beteiligten „der rechtsextremistischen Szene“ zu. Dabei handelt es sich um die umtriebigen Neonazis Martin Gärtlein und Patrick Voigt, die beide lange Zeit in Ilmenau wohnten.

Der heute 23-jährige Patrick Voigt verteilte bereits 2011 Neonazi Propaganda in seinem Geburtsort Ilmenau und erhielt im November des selben Jahres Besuch von der Polizei, die in seiner WG in Ilmenau und dem Haus seiner Eltern Hausdurchsuchungen durchführte. Hintergrund war eine Gewaltattacke von Neonazis im Mai 2011 in Berlin-Kreuzberg. Voigt hatte dort auf am Boden liegende Gegendemonstranten eingeschlagen und wurde deshalb wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt.

Auch der 1983 in Sonneberg geborene Martin Gärtlein ist kein Unbekannter in der extrem rechten Szene Thüringens. Nach damaligen Angaben der AGST stand Gärtlein allein 2011 dreimal wegen Körperverletzung vor Gericht, bis zu diesem Zeitpunkt lagen bereits zehn Gerichtsverfahren zum Großteil wegen Körperverletzung hinter ihm, außerdem musste er sich wegen Diebstahls, Nötigung, sowie Erschleichung von Leistungen vor Gericht verantworten. Während er vor Gericht im März 2011 noch beteuert hatte, der „rechten Szene den Rücken kehren“ zu wollen, zeigt ihn ein Bild aus dem folgenden Jahr in trauter Runde mit Neonazis wie beispielsweise Enrico Biczysko und Christoph Hilbig (Ex Pro Erfurt und jetzt NPD) sowie dem Neonazi-Musiker Tobias „Bienenmann“ Winter.

Allein in diesem Jahr beteiligte er sich an diversen Neonazi-Aufmärschen, u.a. am geschichtsrevisionistischen „Trauermarsch“ am 8.02. in Weimar, am Neonaziaufmarsch im sächsischen Plauen am 1.05. und an einem Treffen des Holocaustleugnernetzwerks „Verein Gedächtnisstätte“ in Guthmannshausen. Gärtlein war auch Teilnehmer der NPD-Kundgebung in Erfurt am 10.05., bei der Christoph Hilbig als NPD-Ordner einem Gegendemonstrant ins Gesicht trat.

Bei dem Rechtsrock-Open Air „In.Bewegung“ des NPD-Funktionärs Patrick Weber war Gärtlein am 9.08. maßgeblich am Aufbau und der Betreuung des Zeltes der „Europäischen Aktion“ (EA) beteiligt. Die Dachorganisation europäischer Holocaust-Leugner und Rechtsextremisten fordert u.a. die so genannte Rückwanderung aller Nicht-Europäer in ihre Heimatländer sowie die Anerkennung des Deutschen Reiches in den Grenzen vor dem zweiten Weltkrieg.

Doch auch ein Blick auf Gärtleins Rechtsanwalt Roland Kleinhenz lohnt sich, denn der 1957 geborene Kleinhenz war zur Bundestagswahl 2013 in Thüringen Spitzenkandidat von „Pro Deutschland“. Die extrem rechte Kleinstpartei zeichnet sich vor allem durch Rassismus, Islamfeindlichkeit und eine Law and Order Politik aus und setzt sich zum Teil aus ehemaligen Mitgliedern von NPD, DVU und Republikanern zusammen. Auf seinem Facebook-Profil macht Kleinhenz aus seiner politischen Sicht kein Geheimnis, wenn er von einer deutschen „Scheinsouveränität“ schwafelt (14.07.103), den extrem rechten Slogan „glauben-kämpfen-siegen“ postet (8.08.2013) oder bekennt „‘Der Landser‘ habe ich schon als Schüler mit Begeisterung gelesen“ und hinzufügt: „Als Regierungschef würde ich als erstes alle alliierten Siegerdenkmäler in Deutschland schleifen lassen“ (2.08.2013).