NS-Black-Metal in Erfurt und Umgebung – Teil 1: Alte Garde – Die NSBM-Bands „Barad Dûr“, „Absurd“ und „Holocaust“

Von Mitte der 1990er bis Anfang der 2000er Jahre war Erfurt für die NSBM-Szene in Thüringen ein wichtiger Dreh- und Angelpunkt. Vor allem da sich hier Teile der zu diesem Zeitpunkt bekannt gewordenen Band „Absurd“ aufhielten und ihre Labelstrukturen in Erfurt beheimatet waren. Eine Band, welche zu dieser Zeit eng mit „Absurd“ und ihrem Label „Darker than Black“ verknüpft waren, ist die Erfurter „National Socialist Black Metal“-Band „Barad Dûr“. Weiterhin war die Band „Holocaust“ in Erfurt aktiv und mit den bereits genannten Bands und Strukturen verknüpft. Bis heute sind einzelne Neonazis aus diesem Bereich weiterhin aktiv. Im folgenden Artikel, als Auftakt einer Reihe, werfen wir einen Blick in die 90er Jahre und bis heute auf die Erfurter NSBM-Szene und ihre Verstrickungen.

„Barad Dûr“ aus Erfurt – NSBM zwischen „Blood&Honour“ und „Darker than black“

Die Band gründete sich 1995 um den Erfurter Neonazi Martin Göring, welcher unter dem Pseudonym „Thorns“ auftrat und Schlagzeug spielte sowie um Yves Müller alias „Vinzent“ an der Gitarre.
Eine der ersten Veröffentlichungen war 1996 die Kassette „Endless War“, mit handgezeichneten Inlay, welches jedes „S“ als Sig-Rune im Stil der Waffen-SS zeigte. Als Urheber zeichnete damals „M. Göring (Thorns)“, mit seiner damaligen Adresse in Erfurt-Marbach.

Inlay zum Tape zu “Endless War” von 1996 mit Kontaktangabe von Martin Göring.

In einem Zine von 1997, dem „Skaldensang Edition Trollheim #1“, werden mehrere Thüringer Bands interviewt, darunter auch „Barad Dûr “. Darin wird die Band gefragt, wie ihre Einschätzung zur Szene in Erfurt sei, wobei sie „Barad Dûr“ von dieser abgrenzen wollen und einen Großteil der Leute als „Poser“ oder „Just for fun-Ärsche“ bezeichnen. Das Interview endet mit einem Gruß u.a. an die Thüringer NSBM-Bands „Absurd“ und „Heldentum“ sowie mit dem geäußerten Vernichtungswunsch gegen alles „was nicht rein weiß ist und unseren Ländern und Rasse angehört. Ab ins KZ ihr Duli’s“ sowie einem Bild von „Vinzent“ mit einer Hakenkreuzfahne. Wie eng die Erfurter Band mit „Absurd“ und „Darker than black“ schon in den 90er Jahren verzweigt war, zeigte sich Ende 1998 in einem Interview mit dem „Aurora Borealis Nr. 3“. Dort heißt es von „Barad Dûr “: „Im November 98 waren wir bei LES in Erfurt im Studio und haben unsere 1. komplette CD aufgenommen. Die CD wird im Januar’ 99 erscheinen. DARKER THAN BLACK rec. Hat uns dies angeboten und wird auch bei DTB erscheinen. Dank an Absurd.“. Doch nicht nur die Verbundenheit mit „Absurd“ und dem Label lässt sich über die dortigen Veröffentlichungen nachweisen. Bereits Ende der 90er Jahre organisierten Mitglieder von „Barad Dûr“ und „Darker Than Black rec.“ gemeinsam Konzerte und Festivals. Im selben Interview heißt es zu einem Festival in Behringen am 26. September 1998 im Hainich: „Eihwaz (Anm.: Hinter dem Pseudonym steht Maik Möller aus Erfurt, damals Keyboarder der Band) hat mit Darker Than Black das Festival organisiert. Schade das du nicht da warst. Du wirst noch gelegenheit dazu haben, denn es sind weitere Konzerte mit D.T.B. geplant. Das Konzert an sich war sehr gut. Mitgespielt hatten PESTEN1349, VILKATES, NAGELFAR, RIGER, DUNKELGRAFEN, ABSURD und wir. (…) Es waren circa 500 Zuschauer da.“ (Fehler im Original)

Es war jenes Festival von „Darker Than Black“, auf dem die Band „Absurd“ zum ersten Mal nach ihrer Haftentlassung spielten. Aufgrund des gezeigten Hitlergrußes durch Hendrik Möbus und die Verhöhnung seines Mordopfers als „Volksschädling“ bei dem Konzert wurde seine Berufung widerrufen.
Generell strotzen die Interviews der Band vor plumpen antisemitischen Vernichtungsfantasien, wie sich beispielsweise im „Black Metal Almanach“ zeigt, wenn die Band das Konzentrationslager Buchenwald als einen inspirierenden Ort bezeichnen, weil es aus einem „guten Zweck“ errichtet worden sei und „ihre Feinde“ dort vernichtet worden sind.

Im März 2003 wurde ein CD-Sampler „Trotz Verbot nicht tot“ bei „Blood & Honour Deutschland“, der über das dänische B&H-Label „Celtic Moon“ vertrieben wurde, veröffentlicht. An diesem Sampler beteiligten sich diverse Thüringer Bands aus dem NSBM-Bereich. Neben „Absurd“ veröffentlichte auch „Barad Dûr“ und „Holocaust“, auf welche später im Text genauer eingegangen wird, jeweils einen Song.

Cover des Blood&Honour Sampler von 2003, mit Erfurter Beteiligung.

Tracklist des Blood&Honour Samplers von 2003. “In the ban of the moon”, Track 2, von der Erfurter NSBM-Band “Holocaust”. Track 4 “Kämpfer der Vergangenheit” von “Barad Dûr” .

Die Bandmitglieder

Ende der 1990er Jahre bestand die Erfurter Band „Barad Dûr“ aus vier festen Bandmitgliedern. Am Keyboard war „Eiwaz“ bzw. „Eiwas“ oder auch „Eiwass“ in unterschiedlichen Schreibweisen. Hinter dem Pseudonym steckt der Erfurter Maik Möller, welcher bis heute unter seiner Adresse in der Schwarzburger Straße 33 in Erfurt-Marbach wohnhaft ist. Sowohl die Adresse als auch der Name taucht auf mehreren Veröffentlichungen der Band der Band als Kontaktadresse auf.

Kontaktadresse von Maik Möller für “Barad Dûr” auf der Split mit “Dark Fortress” von 1997

Maik Möller nach 1999 und war u.a. an dem Album „Dunkelheit“ von 1999 sowie der Split mit „Dark Fortress“ von 1997 beteiligt. Möller machte sich später als Trockenbauer und Tontechniker selbstständig und ist bis heute im Erfurter Club „From Hell“ als Tontechniker aktiv.

Maik Möller heute als Tontechniker im Erfurter “From Hell”.

Maik Möller bei Renovierungsarbeiten im Club “From Hell” Erfurt. (Screenshot Facebook)

Maik Möller 1999 als “Eiwaz” der NSBM-Band “Barad Dûr”

Ebenfalls in dieser Zeit bei „Barad Dûr“ aktiv war ihr Sänger „Splatter“. Dabei handelt es sich um den Erfurter Rene Eberhardt, welcher als Sänger beim Album „Dunkelheit“ von 1999 aktiv mitwirkte. Später übernahm „Engel“ den Part des Sängers, wobei es sich um Thomas Engelhardt handelt, der auch bei der Erfurter NSBM-Band „Holocaust“ als Sänger aktiv war.

Das Schlagzeug spielte von Anfang an, bis heute, der Erfurter Neonazi Martin Göring alias „Thorns“, welcher ebenfalls bei der Neuauflage von „Absurd“ unter Hendrik Möbus das Schlagzeug spielte und z.B. 2017 gemeinsam mit der Band beim „Asgardsrei“ in Kiew auftrat.

Martin Göring alias “Thorns” 2017 auf der Bühne in Kiev als Schlagzeuger von “Absurd”.

Ein weiteres Gründungsmitglied und bis heute bei „Barad Dûr“ aktiv an der Gitarre ist „Vinzent“ oder auch „Vinzent Negrath“ oder auch bei den ersten Veröffentlichungen der Band als „Angel from the Darkness“. Dabei handelt es sich um Yves Müller aus Erfurt, welcher ebenfalls mit Martin Göring die Neuauflage von „Absurd“ unter Hendrik Möbus an der Gitarre unterstützte.

v.l.nr.: Yves Müller alias “Vinzent” an der Gitarre, Hendrik Möbus am Microphon, Sebastian Rast an der Gitarre am 16. Dezember 2017 beim “Asgardsrei” in Kiew

Die Veröffentlichungen

Nach den ersten Demo-Tapes, welche von der Band 1996 veröffentlicht worden sind, folgte 1997 dann die erste Split mit der NSBM-Band „Dark Fortress“ aus Landshut, das bei Label „Fog of Apocalyps“ veröffentlicht worden ist. Auf der CD wird nicht mehr Martin Göring als Kontakperson angegeben, sondern Maik Möller in der Schwarzburger Straße 33 in Erfurt-Marbach. Das Möller zu diesem Zeitpunkt Teil der NSBM-Band „Barad Dûr“ war, ist damit sehr wahrscheinlich. Möller selbst ist mittlerweile immer noch in der Schwarzburger Straße 33 in Marbach zu Hause, wo auch sein Firmensitz ist. Als Selbstständiger im Bereich Trockenbau und Veranstaltungstechnik ist er eng mit dem Erfurter Club „From Hell“ verbunden. Bilder in sozialen Netzwerken zeigen ihn beispielsweise bei Renovierungsarbeiten im Erfurter Club sowie als regelmäßig dort arbeitender Ton-Techniker.

Back-Cover des 1999 erschienen Album “Dunkelheit” mit Bild von Varg Vikerness.

2001 folgte eine weitere Split CD mit der „Graven“ aus Memmingen. An dieser wirkten jedoch lediglich nur Martin Göring und Yves Müller alias „Vinzent“ für „Barad Dûr“ mit. Zuerst erschien die Split auf dem NSBM-Label „Pesten Productions“, fand aber mehrere Jahre später Neuauflagen bei anderen Labels wie „Hammerbund“ aus Gera oder auch „Neuschwabenland Propaganda“.

Back-Cover der Split mit eindeutiger Symbolik sowie Solidaritätsbekundungen mit Hendrik Möbus und Varg Vikerness.

Es folgte 2004 das Album „Gold oder Blut“, welches erstmals über „Nebelfee Klangwerke“ aus Apolda veröffentlicht worden ist. Zu diesem Zeitpunkt wurde „Nebelfee Klangwerke“ von Ronald Möbus betrieben und mittlerweile „Nebelklang“ heißt.

Danach erfolgte eine ganze Zeit keine neue Veröffentlichung der Band und auch die Hochzeiten der Gruppe schienen vorbei zu sein. Erst 2011 konnte sich die Band zu einer Split mit einem Song von sich bemühen. Zu diesem Zeitpunkt spielten erneut Martin Göring, Yves Müller alias „Vinzent“ und Thomas Engelhardt alias „Engel“. Der Vertrieb lief über das ungarische NSBM-Label „Tanhu Records“. 2013 veröffentlichte „Barad Dûr“ das letzte Mal neue Lieber mit ihrem Album „Vergeltung“, welches im „Adlerhorst Media Promotion Tonstudio“ im sachsen-anhältischen Tornau vor der Heide aufgenommen worden ist. Das Studio hatte bereits NSBM-Bands wie „Epithalium“ aus Erfurt, „Eugenik“ aus Gera „Askeregn“ oder auch „Totenburg“ ein zu Hause geboten. Den Bass spielte für dieses Album Sven A. aus Gera, welcher bereits bei der NSBM-Band „Antiphrasis“ aus Gera mitwirkte. Das Label war in diesem Fall „Nebelklang“ von Möbus. Weiterhin wirkten Thorsten Holstein aus Nordhausen vom NSBM-Label „Blut und Eisen Productions“ mit. Die Zeichnungen der Platte kamen von der Band „Prosatanos“, einer NSBM-Band aus Neustadt an der Orla von Danny und Tino Seidel. Die Zeichnung selbst wurde von Danny Seidel alias „Redreom“ angefertigt.

2020 erfolgte eine Neuauflage des Tracks „Dunkelheit“ von 1997 von „Barad Dûr“ auf der Split-EP mit „Absurd“, der französischen Band„Goatmoon“ und „Dark Fury“ aus Polen.


Auf der Split-CD sind ebenfalls Yves Müller alias „Vinzent“ (2.v.l.) sowie Martin Göring alias „Thorns“ (4.v.l.) abgebildet.

Die Erfurter NSBM-Band „Holocaust“

Ebenfalls in den 1990er Jahre formierte sich die Erfurter NSBM-Band „Holocaust“, welche zum engen Umfeld von „Barad Dûr“ gezählt werden kann.

1999 erfolgten die ersten Veröffentlichungen der Band aus Erfurt. Bei ihrer zweiten Veröffentlichung „The Call of Thurigian Woods“, nach einem Promo-Tape 1999, wurde Rene Thieß aus Erfurt als Kontakt angegeben. Thieß spielte unter dem Pseudonym „Herr Holocaust“ bzw. „R.T.“ das Schlagzeug der Band und wirkte u.a. an dem „Absurd“ Album „Asgardsrei“ von 1999 am Schlagzeug mit.

Cover der 2009 bei “Hammerbund” neuaufgelegten “Call of Thurigian Woods” von 1999.

„The Call of Thuringian Woods“ wurde 1999 ohne ein Label veröffentlicht, fand aber diverse Neuauflagen u.a. 2009 bei „Hammerbund“ aus Gera von Denis Schoner sowie 2020 über „Nebelfee Klangwerke“. In dem Inlay des Tapes von 1999 grüßte die Band „Barad Dûr“, „Absurd“ sowie Alexander Kies alias „Lord Asgaqlun“ aus Annaberg-Buchholz, welcher dort an diversen NSBM-Bands mitwirkte.

1999 erfolgten die ersten Veröffentlichungen der Band aus Erfurt. Bei ihrer zweiten Veröffentlichung „The Call of Thurigian Woods“, nach einem Promo-Tape 1999, wurde Rene Thieß aus Erfurt als Kontakt angegeben. Thieß spielte unter dem Pseudonym „Herr Holocaust“ bzw. „R.T.“ das Schlagzeug der Band und wirkte u.a. an dem „Absurd“ Album „Asgardsrei“ von 1999 am Schlagzeug mit. „The Call of Thuringian Woods“ wurde 1999 ohne ein Label veröffentlicht, fand aber diverse Neuauflagen u.a. 2009 bei „Hammerbund“ aus Gera von Denis Schoner sowie 2020 über „Nebelfee Klangwerke“. In dem Inlay des Tapes von 1999 grüßte die Band „Barad Dûr“, „Absurd“ sowie Alexander Kies alias „Lord Asgaqlun“ aus Annaberg-Buchholz, welcher dort an diversen NSBM-Bands mitwirkte.

Tape-Inlay der 1999 erschienen EP “Call of Thuringian Woods”, mit Kontakt von Rene Thieß alias “Herr Holocaust”.

Die letzte Veröffentlichung der Band erfolgte 2002 als Split mit den NSBM-Bands „Frostkrieg“ aus Bochum und „Epithalium“ aus Gera. Diese wurde erstmalig über das Erfurter Untergrund-Label „Element of Hate“ veröffentlicht, welches lediglich zwei Platten von „Barad Dûr“ und eben „Holocaust“ vertrieb. Bass spielte in dieser Band Heiko Maar alias „H.M.“. An der Gitarre wirkte Rene Bienert alias „R.B.“ mit, Thomas Engelhardt alias „Engel“ als Sänger sowie Rene Thieß alias „Herr Holocaust“ bzw. „R.T.“. Thomas Engelhardt alias „Engel“ wirkte in den darauffolgenden Jahren als Sänger bei der Band „Barad Dûr“ mit.

 

 

Die Erfurter NSBM-Band “Holocaust” in ihrer Selbstdarstellung 1999.

„Absurd“ und die Verbindung zu „Barad Dûr“

Absurd wurde 1992 von Hendrik Möbus, Sebastian Schauseil und Andreas Kirchner in Sondershausen gegründet. Am 29.4.1993 ermordeten Möbus (damals 17 Jahre alt) und seine zwei Bandkollegen ihren 15jährigen Mitschüler Sandro Beyer durch Folter und Erdrosseln. Weil die drei schon damals in der Black-Metal-Band spielten, wurde der Mord in der Presse als „Satansmord“ bezeichnet. Aufgrund der NS-Ideologie der Bandmitglieder und der späteren Äußerungen in Absurd-Veröffentlichungen, dass es sich bei Beyer um ein „lebensunwertes Geschöpf“ gehandelt habe, kann die Tat als klassischer Nazimord bezeichnet werden.

Hendrik und Ronald Möbus 1998/1999 in Ausschwitz

Nach Hendrik Möbus Haftentlassung setzte er zunächst die Absurd-Aktivitäten als Sänger fort. In den Texten und den Symboliken gab es permanente NS-Bezüge und auf den Konzerten waren kollektive Hitlergrüße die Regel. Weil die Band ihr Mordopfer als „lebensunwertes Geschöpf“ verunglimpfte, wird Möbus‘ zur Bewährung ausgesetzte Reststrafe widerrufen und Möbus entzieht sich der Verhaftung Ende 1999 indem er in die USA verschwand.

Nach der Auslieferung 2001 übernimmt Hendriks Bruder, Ronald Möbus, das Projekt Absurd als Sänger, während Sven Zimper (Tangerhütte, Sachsen-Anhalt) das Schlagzeug spielt und für Aufnahmen auch andere Instrumente einspielt. Ronald Möbus setzt dabei die Verknüpfung der Band in andere Netzwerke der militanten Naziszene Thüringens fort. Schon im Jahr 2000 organisierte er gemeinsam mit der NPD und dem Thüringer Heimatschutz ein NSBM-Konzert in Apolda. (Spunk, News, September 2000) Im Jahr 2003 war „Absurd“ auf dem Sampler „Trotz Verbot nicht tot“ verschiedener Rechtsrock- und NSBM-Bands aus Thüringen vertreten, die damit ihr Bekenntnis zum 2000 verbotenen Blood & Honour-Netzwerk ausdrückten. In der Zeit bis Hendrik Möbus‘ Haftentlassung 2007 prägten Zimper und Ronald Möbus „Absurd“ stark.

Absurd in der Besetzung mit Ronald Möbus am Mikrofon und Sven Zimper (r.) an der Gitarre.

Mit der Haftentlassung von Hendrik Möbus entstanden Konflikte um die Hoheit über das populäre Bandprojekt und kommt eine Zeit lang zum Stillstand der Band. Hendrik Möbus bekräftigte seinen Führungsanspruch in den verschiedenen, mit seinem Bruder und anderen Kameraden, einst betriebenen Projekten in einem Interview 2008: „Demzufolge entspricht es ganz meinem Charakter, daß ich mir nach meiner Rückkehr nicht etwa einen Platz, der mir gnädigerweise von anderen Leuten eingeräumt wird, suchen werde. Nein – ich schaffe mir den Platz, welcher mir meiner Meinung nach zustehen muß! Damit mache ich mir natürlich nicht nur Freunde. Aber wer an meiner Seite steht, der wird Zeuge bei der Erschaffung eines Mikrokosmos. Diese Teilhabe sollte man durchaus wertschätzen, meine ich…“. (Hendrik M. (Absurd) im Gespräch mit der Redaktion von „Velesova Sloboda“) Bezogen auf die Band gab sich Möbus im selben Interview noch zurückhaltend: „Seit mehr als acht Jahren bin ich auch kein aktiver Musiker mehr, und an Absurd allenfalls noch lyrisch wie konzeptionell beteiligt. Die aktuell verantwortlichen Musiker von Absurd müssen entscheiden, ob und wie es mit der Band eines Tages weitergehen soll.“ 2012 stehen das vorerst letzte Mal Ronald „Wolf“ Möbus und Sven „Unhold“ Zimper bei einem Auftritt in Mailand für Absurd auf der Bühne.

Als 2017 die Organisatoren des NSBM-Festivals „Asgardrei“ (benannt nach einem alten Absurd-Album) die Band um einen Auftritt anfragen, sagt Ronald Möbus ab. Hendrik Möbus hingegen bekundet, dass er mit der Band auftreten werde und sucht sich eine Live-Besetzung aus seinen langjährigen Netzwerken zusammen: Neben dem Gitarristen Sebastian „Anzuz“ Rast aus Wuppertal und dem Bassisten Thomas „Commando Wolf“ Kosmas von der griechischen NSBM-Band „Der Stürmer“ stehen mit Yves Müller alias „Vinzent“ der Gitarrist und mit Martin Göring alias „Thorns“ auf der Bühne. 2018 trat Hendrik Möbus mit Absurd beim „Hot Shower Fest“ in Italien und erneut beim Asgardrei in Kiew auf. Bei letzterem hatte er jedoch bereits eine gänzlich andere Live-Besetzung als im Vorjahr.

Backstage beim NSBM-Festival im Dezember 2017 in Kiew: Martin Göring alias “Thorns” (l.), Yves Müller alias “Vinzent” (mittig) und Hendrik Möbus.

Sven Zimper alias „Unhold“ verbreitete vor knapp zwei Jahren noch, dass er trotz der Kaperung der Band durch Hendrik Möbus noch neue Songs für Absurd produzieren wolle und die Szene betont weiterhin, dass Ronald Möbus alias „Wolf“ der wahre Absurd-Sänger ist. Bei einem Auftritt der neu gegründeten Band „Der Tod und die Landsknechte“ im November 2019, für die Ronald Möbus am Mikrophon steht, coverte die Band zudem demonstrativ Absurd-Songs. Doch der Bruderstreit ist nicht die einzige Konfliktlinie rund um Absurd. Es gab die Zivilklage von Möbus gegen die Split-CDs von Denis Schoners Hammerbund. Hierzu passt, dass Ronald Möbus das erste Album seines neuen Bandprojekts beim Hammerbund herausbrachte. Zudem gibt es zahlreiche Absurd-Veröffentlichungen oder Beteiligungen an Samplern, Split-CDs ound Re-Releases, die von früheren Partnern oder Ex-Bandmitgliedern produziert und vertrieben werden, von Hendrik Möbus jedoch als „Bootlegs“, „Raubkopien“ usw. verschrien werden. Aus denselben Gründen finden sich konkurrierende „offizielle“ Auftritte der Band auf Facebook oder VKontakte, die sich gegenseitig die Authentizität absprechen.

2017 spannte Hendrik Möbus die beiden Barad Dûr -Gründungsmitglieder Göring und Vinzent als live-Musiker für sein Absurd-Revival in Kiew ein. Auch im Vorfeld des „Hot Shower”-Festival 2017 in Mailand, welches maßgeblich von Möbus organisiert worden ist, waren Göring und Yves Müller alias „Vinzent” von „Barad Dûr “ in der Besetzung von „Absurd” mit dabei.

Links “Absurd” im Jahr 2017: Hendrik Möbus, Sebastian Rast, Martin Göring und “Vinzent” von “Barad Dur”. Rechts: Eintrittskarten des “Hot Shower Fest” 2016. Man beachte das Hakenkreuz im oberen Teil. (Quelle: Dont call it music)

In einem Online-Interview 2020 äußerte Hendrik Möbus, dass er seinem Bruder Geld gegeben habe, um die Streitigkeiten um “Absurd” beizulegen. Er habe von ihm die Rechte erworben, nur um nachzuschieben, dass es vor Ronald Möbus und Sven Zimper “Absurd” schon lange gegeben habe und das mit ihm. Wenn auch hier nach außen vermittelt werden soll, dass die Streitigkeit um das wahre “Absurd” beigelegt worden sein sollen, so finden sich bis heute in Foren und Kommentarspalten Vorwürfe gegen Hendrik Möbus als uncharismatischer Sänger und dass es sich bei seiner Version um das falsche “Absurd” handele.

“Absurd” 2017 in Kiew beim „Asgardsrei“. Am Schlagzeug Martin Göring, Hendrik Möbus als Sänger und Sebastian Rast als Gitarrist.

Exkurs zu Ronald Möbus – Der Tod und die Landsknechte

Im Jahr 2019 gründete Ronald Möbus zusammen mit Paul „Bile“ Morgenstern das NSBM-Projekt „Der Tod und die Landsknechte“. Obwohl es in der Szene die Regel ist, dass einzelne Neonazi-Metaller in mehreren Bands gleichzeitig spielen, kann diese Bandgründung aufgrund der Historie von Ronald Möbus und „Absurd“ als Aufgabe seiner Rolle bei „Absurd“ interpretiert werden.

“Der Tod und die Landknechte”: links Paul Morgenstern, rechts Ronald Möbus.

Mit Paul Morgenstern als zweitem Mann blieb Ronald Möbus seinen zwanzigjährigen Netzwerken mit direktem Bezug zum NSU-Umfeld treu: Morgenstern spielte in den Neunzigern mit Ralf Marschner, V-Mann und Unterstützer des NSU-Kerntrios in Zwickau, in der Rechtsrockband „Westsachsengesocks“. Nach verschiedenen anderen Rechtsrockbands übernahm Morgenstern die Gitarre bei der bis heute sehr populären Rechtsrockband „Blitzkrieg“. Die Band veröffentlichte eine ihrer ersten Split-CDs zusammen mit „Warhammer“ 2001 bei Movement Records, dem Label des NSU-Helfers und Blood & Honour-Kaders Jan Werner. Der Titel der CD war mit „German-British-Terrormachine II“ ein klares Bekenntnis zum rechtsterroristischen Netzwerk „Combat 18“. Gegen Morgenstern selbst wurde 2006 wegen der Fortführung des 2000 verbotenen Blood & Honour-Netzwerks ermittelt.

Im Bereich NSBM spielt Morgenstern außerdem bei „Stahlfront“ und „Leichenzug“. Neben seiner eigenen Beteiligung an Bands betreibt Paul Morgenstern von Westsachsen aus das NSBM-Label „Blasphemous Terror Records“. Somit verbindet der in Wilkau-Haßlau bei Zwickau wohnende Neonazi die militanten Netzwerke in den verschiedenen Szenen: Mit „Blitzkrieg“ spielt er international auf Konzerten des Blood & Honour-Netzwerks, während „Leichenzug“ und „Stahlfront“ auf den wichtigsten NSBM-Events in Finnland, der Ukraine oder Italien auftreten.
Zusammen mit Ronald Möbus, dem langjährigen Gesicht und der Stimme von „Absurd“, entfaltet Morgensterns Mitwirkung bei „Der Tod“ und die „Landsknechte“ in der Neonazi-Metalszene die entsprechend anziehende Wirkung.

„Barad Dûr“ und die alte Szene – bis heute aktiv?

In diversen Metal-Foren finden sich die Angaben, dass die Erfurter Band bis heute existiere. Dennoch lässt sich feststellen, dass die Band seit fast 10 Jahren keine neuen Songs mehr veröffentlicht hat, da es sich bei dem Lied zur Split mit „Absurd“ aus dem Jahr 2020, um eine alte Aufnahme von 1997 handelt. Mittlerweile begrenzt sich die Zugehörigkeit zur Band auf Yves Müller alias „Vinzent“, Martin Göring alias „Thorns“ und Thomas Engelhardt alias „Engel“, wobei zu bezweifeln ist das die Band an sich noch Auftritte spielt. Viel mehr haben sich einzelne Mitglieder auf weitere Bands im Bereich des NSBM konzentriert. Hervorzuheben ist dabei die enge Verbindung zu Hendrik Möbus und seiner Neuauflage von „Absurd“. Seit 2017 spielte die Besetzung u.a. mit Hendrik Möbus als Sänger, Martin Göring alias „Thorns“ am Schlagzeug, Yves Müller alias „Vinzent“ an der Gitarre sowie Sebastian Rast alias „Anzuz“ aus Wuppertal. Zu den Auftritten in dieser Besetzung zählte u.a. am 16. Dezember 2017 das „Asgardserei“ in Kiew sowie das „Hot Shower Fest“ in Mailand im April 2018. Für den Song „Pesttanz“, welcher 2017 von „Absurd“ aufgenommen worden ist und 2020 in der Split mit „Barad Dûr“, „Goatmoon“ und „Dark Fury“ veröffentlicht worden ist, spielten ebenfalls Yves Müller an der Gitarre sowie Martin Göring das Schlagzeug ein. Demnach dürften die Reste von „Barad Dûr“ mittlerweile in der Neubesetzung von „Absurd“ unter Hendrik Möbus aufgegangen sein. Eine Verbindung, welche seit fast mehr als 30 Jahren besteht.

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